Auch wenn die weidenden Kühe sich nicht weiter für uns interessieren: lang kann man nicht schlafen bei der Hitze am Strand. Wir ziehen unsere Wasser-und-Öl-Routine durch und fahren erstmal ein paar hundert Meter weiter zum ersten Bad im Schwarzen Meer. Dabei nutze ich die Gelegenheit, den Micra auf dem Kiesstrand erstmal ordentlich festzufahren. Mit einer Schaufel und etwas schieben ist er aber in ein paar Minuten wieder flott — alles nur Training für j.w.d.!
Während in der Türkei immer jemand in der Nähe zu sein schien, der Deutsch oder Englisch konnte, gestaltet sich das anschließende Fressen[*] bzw. dessen Bestellung in einer Strandkneipe von Batumi schon deutlich schwieriger. Die Karte ist auf Georgisch mit dem zugehörigen Alphabet, und obwohl das Mittelstufenwissen langsam zurückkommt war Martins Russischunterricht wohl etwas zu eng auf Altstoffsammelaktionen und Pioniernachmittage zugeschnitten um wirklich mit dem Russisch der Bedienung zurechtzukommen. Mit Hilfe des Lonely Planet gelingt es doch, und das Essen ist verdammt lecker!
Wir brechen auf Richtung Tbilisi (Tiflis), und zwar auf dem kürzesten Weg. Das sind nur gut 300 km, so können wir vielleicht noch ein bisschen die Stadt anschauen und uns dann gegen Abend in die Schlange an der Aserbaidschanischen Grenze stellen, wenn man bei den üblichen Wartezeiten nicht in der Hitze vergeht. So ist der Plan. Die Straße führt in etwa 50 kurvenreichen Kilometern bis auf etwa 1000 m hinauf; leider traut sich die Teerdecke nicht so weit und überlässt unsere Autos den Steinen und Schlaglöchern. Prompt ertönt bei km 80 ein Rumpeln, gefolgt von dem lauten Röhren, das dem Kenner einen fehlenden Auspuff anzeigt. Wir besichtigen noch keine Minute das hinter dem ersten Topf abgefallene Rohr, da hält ein alter Wolga mit Anhänger und zwei Männern drin, die sofort ihre Hilfe anbieten, als wir das Problem erklärt bzw. gezeigt haben. Mit ein bisschen Draht und einem Hammer ist der Schaden schnell behoben, und nach zehn Minuten Gestikulierens über der Karte haben sie uns überzeugt, dass wir besser zurück nach Batumi fahren und von dort die längere abere deutlich bessere Autobahn nehmen. Wir folgen ihnen.
Fünf Minuten später bleibt der Wolga stehen, offenbar aus Spritmangel. Wir haben noch ein paar Liter im Kanister, was allerdings nur ein paar hundert Meter weit hilft. Immer noch zu wenig? Aus unserem Tank Benzin abzusaugen klappt mangels geeignetem Schlauch nicht, obwohl wir sogar den von unserer Scheibenwaschanlage probieren, also fährt Peter mit Kotschka, dem jüngeren, nochmal fünf Liter im nächsten Ort holen. Auch das hilft nicht weit, und nachdem sich die Zündkerzen und andere übliche Verdächtige als unschuldig herausgestellt haben, bleibt eine verstopfte Benzinleitung als Ursache übrig. Ein Wolgafahrer weiß sich zu helfen: einen kleinen Kanister per Tankablassschraube mit Benzin befüllen und im Motorraum mit Draht befestigen, da hinein den Schlauch von der Benzinpumpe, und gut ist. Das heißt, so lange die Schläuche und ihre mit Gaffatape gedichteten Verbindungen halten, was sie auf Anhieb natürlich nicht tun, so dass am Ende einer längeren Spritspur wieder ein ausgegangener Wolga steht. Ein paar Tropfen unserer Dichtmasse und Sprit später klappt es dann so lala auf drei Zylindern (die Zündanlage ist so toll auch nicht), und weil mittlerweile die Lichtmaschine auf dem letzten Loch pfeift, eskortieren wir die Karre in der mittlerweile hereingebrochenen Dunkelheit mit Warnblinker zurück nach Batumi.
Das ganze hat etwa bis 22 Uhr gedauert, und Soso, der ältere der Männer, hat uns schon beim letzten Stop angeboten, bei ihm zu nächtigen. So ein Angebot darf man hier garnienicht ablehnen, aber wir halten das eh für eine gute Idee.
In Sosos kleinem Wohnzimmer gibt es neben einem Sony-Fernseher mit einem halben Dutzend deutschen Programmen auffällig viele gut gemachte Gemälde und Schnitzereien. Von ihm, so viel ist zu verstehen. Er ist Maler und Kunstschreiner, erfahren wir dann von einer Verwandten, die kurz darauf auftaucht und noch von ihrem Germanistikstudium sehr gut Deutsch spricht. Es gibt das schon im Reiseführer angedrohte üppige (und wieder sehr leckere) Essen mit dem nie leer werdenden Krug selbstgebrautem Wein und reichlich Toasts auf Freundschaft und Hilfsbereitschaft. So fleißig wie wir den Tag über gefilmt haben können Familie und Nachbarn (Kotschka ist einer davon und nicht wie angenommen Sosos Sohn) die gemeinsamen Heldentaten auch gleich noch am Fernseher bewundern. Zum Schluss werden die beiden Autos noch halb in die Garage getragen, damit sie beide reinpassen (man traut einigen Nachbarn nicht so ganz, und der Wolga ist für diese Nacht sowieso diebstahlsicher) und wir bekommen Sosos Schlafzimmer für die Nacht. Die berühmte georgische Gastfreundschaft eben.
Bei knapp 200 gefahrenen Kilometern sind wir heute ganze fünf vorangekommen. Aber wir haben beeindruckende Landschaften gesehen und die nettesten Leute der ganzen bisherigen Tour kennengelernt. Von daher sind wir mit dem Tag vollauf zufrieden!
[*] Frühstück-Mittagessen, AKA „Brunch“
Heute: 197 km ~ 3990 km gesamt