Die Nacht auf der Veranda des Bahodir war aufgrund des langen Vorabendprogramms eher kurz, aber überraschend angenehm.
Da wir uns vor der Weiterfahrt unbedingt noch einmal den Registan bei Tag ansehen wollten haben wir die ideale Chance gewittert, endlich mal Wäsche zu waschen.
Anfangs hatten wir nur sehr wenig, aber nachdem die Wirtin meinte, das würde sie dann erst nachmittags mit dem Rest mitwaschen haben wir sie kurzerhand mit Material für zwei bis drei Ladungen versorgt, die dann auch gleich in der Maschine landeten.
Dann gab’s lecker Frühstück und anschließend ein ausführliches Palaver mit einigen der Mongolrally-Teams mit denen wir zusammen auf der Fähre und z.T. bei Burren waren.
Die Suzukis waren am Vorabend noch recht lange gefahren, hatten es dann aber schlussendlich auch ins Bahodir geschafft und ebenfalls unter freiem Himmel übernachtet.
Am späten Vormittag ging es dann auf zum Registan. Bewaffnet mit dem Lonely Planet und einer dicken Packung Touri-Spirit haben wir uns die drei Koranschulen ausgiebig angeschaut und sind durch die unzähligen Souvenirläden flaniert, die vom T-Shirt bis zum Dolch wirklich alles zu bieten hatten, was man irgendwie als Souvenir begreifen konnte. Fehlten eigentlich nur noch die „Echten Steine aus der Ulughbeg-Medressa“.
Nächster Termin: 18:00 Uhr in Tashkent. Strecke: 350 km. Problem: Es war bereits nach 13:00 Uhr und ein 100er-Schnitt mit unseren Autos eher unwahrscheinlich.
Zusammen mit einem weiteren Mongolrally-Micra ging es also zügig aus der Stadt. Nach einem kurzen Stopp zum Aufstocken unserer Brot- und Wasservorräte konnten wir dank hervorragender Straßen und einer gekonnten Umfahrung eines Zipfels Kasachstan unser Ziel tatsächlich fast halten und waren fünf Minuten vor sechs an der Stadtgrenze von Tashkent. Nach einem Telefonat mit Shirim, dem Mädel von Centralasiaadventures und ein bisschen Cruising durch Tashkent war es dann soweit: Nach 7000 km Fahrt hatten wir das Büro gefunden in dem wir den Snowboardsack übergeben sollten, den uns Rene in Wien mitgegeben hatte. Nach einigen Übersetzungswirren, weil Shirims Französisch deutlich besser war als ihr Englisch, brauchte es dann nur noch ein kurzes Telefonat und Anton war da. Ich konnte Anton also über die Übersetzungskette Deutsch-Französisch (Peter) – Französisch (Shirim) – Usbekisch erklären, woher der Snowboardsack kam und welche Länder er schon alles gesehen hatte. Erfreut öffnete Anton das Paket und schaute sich noch die Vehikel an, in denen sein Geschenk gereist war.
Als nächstes wollten wir noch vor Einbruch der Dunkelheit das Stadtzentrum von Tashkent besichtigen. Der Mustaquillik Maydoni ist ein gigantischer Platz, der zu Sowjetzeiten wohl relativ leer war und vom Präsidentenpalais und diversen anderen Prunkbauten umgeben war.
Der usbekische Obermotz Islam Karimov, der nach dem Zusammenbruch der UdSSR die Macht ähnlich wie Turkmenbashi einfach mal behalten hatte, hatte aber wohl beschlossen, dass ihm der fast einen Kilometer lange leere Platz zu langweilig war, wenn er aus dem Fenster schaute. Also gab er den Befehl, alles auf den Platz zu packen, was ihm beim Brainstorming während dem Zähneputzen am Vorabend so eingefallen war:
Als erstes ersetzen wir die größte Lenin-Statue der UdSSR (Gab es irgendwo außerhalb eine noch größere??) mal durch einen Globus mit den Umrissen von Usbekistan.
Dann bauen wir noch einen lustigen Bogen, auf den wir ein paar Störche und noch einen Globus mit Usbekistan-Relief packen. Das Kriegerdenkmal für die Opfer des zweiten Weltkriegs mit der coolen ewigen Flamme lassen wir mal stehen, packen da aber noch zwei gepflegt depressive Säulengänge dazu mit allen Namen der 400.000 im zweiten Weltkrieg gefallenen Usbeken. Aber dazwischen ist doch noch jede Menge Platz für zwei supertolle Brunnen, die wir bei Dunkelheit mal schön in allen Farben, die in den 80ern so in waren, beleuchten. Alle! In zufälliger Reihenfolge. Ach ja, das Senatsgebäude bauen wir mal neu. Die haben zwar nix zu melden, aber dann haben sie’s wenigstens bequem dabei. So. Jetzt ist das alles irgendwie ziemlich viel Beton. Gut wir haben die Brunnen, aber so ein bisschen mehr Grün wär doch toll! Da schaff ich doch fix meinem Oberhofgärtner an, er soll in jeden freien Winkel und die noch viel freieren Wiesen dazwischen noch eine Tanne pflanzen. Tolle Idee, oder? Mir gefällt sie jedenfalls. Ach, Usbekistan ist viel zu heiß für Tannen? Mir doch egal! Wenn ich was von meinen Sowjetischen Brüdern gelernt habe, dann, dass die Natur dem Menschen zu gehorchen hat und nicht umgekehrt. Also lieber Oberhofgärtner: Danke, dass du mir jetzt hunderte von Tannen auf meinen Lieblingsplatz gepflanzt hast, aber wenn du grad dabei bist, bau doch gleich mal noch einen Sonnenschutz dazu. Für jeden Baum. Einzeln. Schön mit weißer Plastikfolie. Kennst du Christo? So machen wir das!
Kurz gesagt: Der Platz ist ein vollgestopftes Ensemble verschiedenster Geschmacks- und Baustile, deshalb aber durchaus sehenswert.
Beeindruckt von so viel staatlich angeordnetem Chaos machten wir uns auf den Weg um endlich etwas Essbares aufzutreiben. Am liebsten was usbekisches. Dachten wir. Um die Ecke gab’s erst mal die Burgermeile. 1001 Kopie von McDoof. Burger, Pommes, alles, was das Neukapitalistenherz so begehrt. Kennen wir aber alles schon. Zwischen all der Leuchtreklame wurden wir dann auf nicht ganz eindeutige Weise von mehreren Damen dazu überredet, doch in dem Restaurant zu speisen, in dem sie gerade arbeiteten. Eine konnte uns dann tatsächlich davon überzeugen, einiges an usbekischen Gerichten zu bieten zu haben. Der erste Anlauf unserer Bestellung war dann zwar fast sämtlich nicht verfügbar, der zweite war dann aber bis auf die Pommes doch auch noch recht unamerikanisch.
Beim Bezahlen und dem zugehörigen Schwätzchen mit der Bedienung klärte sich dann, warum ihre Einladung uns so zweideutig vorkam. Stolz erzählte sie uns, dass sie jetzt um 11 hier fertig sei mit arbeiten und anschließend in der Bar nebenan tanzenderweise beschäftigt sein würde. Ihre nachdrückliche Einladung in den Striptease-Club inklusive Begutachtung ihrer entblößten Oberweite haben wir dann freundlich aber bestimmt abgelehnt und uns auf den Weg aus der Stadt gemacht.
Müßig zu erwähnen, dass wir mal wieder von der Polizei kontrolliert wurden bevor wir uns abseits der Hauptstraße ein Nachtlager suchten. Wir waren noch nicht ganz ausgestiegen, da hielten zwei PKWs und einige Männer stiegen aus. Einer von ihnen trug eine Polizeiuniform und sie erklärten uns, dass es eine schlechte Idee sei, in Usbekistan einfach irgendwo in der Pampa zu campen. Die Geste, die wir dann verstanden hatten war die durchgeschnittene Kehle mit dem Wort „Killer“. Also ließen wir uns von dieser selbst nicht ganz kreditwürdigen Bande einen besseren Ort zeigen. Dieser Ort war die nächste Tankstelle, wo wir unter der Straßenlaterne unsere Autos parkten und daneben unsere Zelte aufschlugen. Der Tankwart erlaubte Martin noch, seine Hängematte zwischen zwei Pfosten aufzuhängen, dann war auch dieser Tag vorbei.
7270 km gesamt