20:45Uhr erreichen wir die russisch-estonische Grenze. Der Weg nach Riga führt durch ein kurzes Stückchen Estland hindurch. In 3h 45min läuft mein Visum aus. Hat die Grenze noch geöffnet? Auf dem Hinweg waren wir an viele Grenzen gekommen, die abends schließen. Die russische Grenze in Richtung Ulan Bator beispielsweise schließt um6, für Russen um 7Uhr. Die letzte Stunde Fahrt in Richtung Grenze gab es keinen Gegenverkehr mehr, in unserer Richtung fuhr nur ein einziger russischer Lada. Der Vizekonsul in St.Petersburg konnte uns nichts über die Öffnungszeiten sagen, nur dass uns dann noch größere Probleme erwarteten, falls wir das Visum überziehen würden – Die Grenze hat geöffnet. Am ersten Schlagbaum erhalten wir einen Laufzettel mit Uhrzeit – das Visaproblem wäre damit schoneinmal gelöst.
Der Zöllner schaut in die Papiere, schaut uns an, dann das Auto. „Bolschoi Problem“ sagt er. Wir verstehen, wollen aber nicht verstehen. Nach und nach holen wir weitere „super wichtige“ Dokumente hervor. Er ruft eine Kollegin die seine Worte ins Englische übersetzt. Auch nachdem wir das in Russisch verfasste Schreiben vom Konsulat vorgezeigen, heißt es „Big Problem“. Der Herr Andreas Fießer dem das Auto gehört solle nach Russland kommen um das Auto zu holen. Wir könnten höchstens zu Fuß ausreisen, das Auto bliebe hier. Das konsularische Schreiben und die ADAC-Vollmacht helfen hier offensichtlich nichts. Einen russischen Notar müßte man in der Familie haben.. Wir reden auf den Beamten ein und überhäufen ihn nocheinmal mit Genehmigungen, Empfehlungsschreiben und Schreiben aller Art. Schließlich befiehlt der Chef das Auto auszuräumen. Sollen wir jetzt die Sachen ausladen und dann damit zu Fuß ausreisen?
Wir packen ihm alles hin. Die Rucksäcke, Beutel, Kisten, auch die Dreckwäsche darf er gern durchwühlen, was er dann auch tut. Anschließend kriecht er in die letzte Ecke unseres Autos und wühlt unter den Sitzen und in allen Ecken nocheinmal herum. So müssen sich Bundesbürger früher an der innerdeutschen Grenze gefühlt haben. Für Aufsehen beim Zöllner sorgt meine Packung Anis in der Plastiktüte, auch der Souviniersand aus der Mongolei interessiert ihn. Als er die Verpackung der Ersatz-Zylinderkopfdichtung knicken will muss ich ihn lautstark daran hindern. Jetzt ist sein Interesse geweckt. „Open! Давай! Давай!“. Seine Augen glänzen. Als ich die Pappe öffne und er die Zylinderkopfdichtung sieht entweicht ihm ein leicht enttäuschtes „нето проблем – njeto problem“. Mittlerweile sind wir der Meinung diese Grenze passieren zu dürfen. Warum sonst macht er sich den Aufwand jetzt noch das Auto so gründlich zu inspizieren? Hauptsache er findet dieses eine Souvinier von der Transkontinentalen nicht, das könnte ihm die mittlerweile doch ganz gute Laune wieder verderben. Er kommt an mehreren Wodkaflaschen im Auto vorbei was uns aber keine Pluspunkte verschafft. Der erste Russe auf unserer Reise der keinen Wodka mag? Als er dann endlich fertig ist sollen wir „dawei, dawei“ schnell schnell, die Sachen wieder einräumen. Eine Gepäckreorganisation konnten wir so mit dem Ärger auch nicht verbinden. Bevor er sichs nocheinmal anders überlegt fahren wir aber auch besser schnell los. Um Russland verlassen zu können müssen wir an der letzten Station den Laufzettel wieder abgeben. Nach der Gepäckaktion eben ist dieser zunächst aber verschollen, nach kurzer Suche jedoch wieder auffindbar. Dann öffnet sich der letzte russische Schlagbaum. Mit Unterbrechungen verbrachte ich in den letzten drei Monaten etwa sechs Wochen in Russland, trotzdem bin ich froh nun mit Auto ausreisen zu dürfen. Jetzt zu Fuß in die EU hätten wir unser Zelt wohl gleich an der estonischen Grenzstation mit Blick rüber nach Russland, zum Micra aufgeschlagen. 22:35Uhr, До свидания Poccия, es war meistens sehr schön mit dir. ; -)